Vor drei Jahren hat Brigitte Bielig den Job als Bundestrainerin der Ruderer übernommen. Jetzt fliegt sie mit dem Team zu Olympia nach Paris. Nach dem großen Sport-Ereignis will die 66-Jährige neue Prioritäten setzen.
Burkau, Paris: Zum Wäschewaschen kommt Brigitte Bielig am Wochenende nochmal schnell ins heimische Burkau. „Ich habe nach der Einkleidung in Düsseldorf durch den Deutschen Olympischen Sportbund zu Hause nur schnell die Tasche abgestellt und bin gleich weiter zum letzten Trainingslager in die Ruderakademie nach Ratzeburg gefahren. Ich werde viel und schnell waschen müssen“, sagt die Ruder-Bundestrainerin.
Ihr Zwischenstopp in den eigenen vier Wänden ist nur kurz. Am Montag, dem 22. Juli 2024, geht für sie, 23 Athleten und den Kader mittags der Flug nach Paris. Diese Olympischen Spiele sollen für die 66-Jährige ein schöner Höhepunkt am sportliche Karriereende werden.
Für Brigitte Bielig sind es die fünften Spiele – sie ist vor knapp drei Jahren eher zufällig an den Posten von Deutschlands Ruder-Teamchefin geraten – weil der eigentlich vorgesehene Kandidat überraschend zurückzog. „Mein Schwiegervater hat mir damals gesagt: Natürlich machst Du das“, erinnert sich Deutschlands älteste Bundestrainerin. Hinter ihren Athleten liegt an diesem Morgen bereits eine Strecke, wie sie am Telefon sagt. Strecke heißt Training, die Auswertung steht noch an.
Sportlehrer entdeckt schon in der ersten Klasse das Talent
Das Rudern begleitet Brigitte Bielig schon seit der Kindheit. „Ich komme aus Brandenburg an der Havel. In der ersten Klasse ließ uns der Sportlehrer antreten und sagte zu mir und meiner Freundin: Ihr kommt in der vierten Klasse zum Rudern“, erinnert sich die Burkauerin. Selbstverständlich hören die Mädchen auf den Lehrer, der Sport auf dem Wasser macht Spaß. Nach der achten Klasse geht das Talent an die Sportschule nach Leipzig. Rudern verlangt Kraft, Ausdauer und Disziplin. Das bringt die junge Sportlerin mit. Doch viel mehr als beim Griff nach Medaillen sieht sie sich früh auf der Trainerbank.
Mehr als vier Jahrzehnte ist das inzwischen ihr strategischer Platz. 1982 wird sie Trainerin beim SC Einheit in Dresden – und zwar bei den Männern. Anfang der 1980er-Jahre ist es so gar nicht zeitgemäß, dass die Herren an den Rudern nach der Pfeife einer Frau „tanzen“ sollen. Ein Trainerkollege kommt aber nicht von einem Wettkampf aus Westdeutschland zurück. Weitere Trainerkapitel folgen – vom Nachwuchsbereich bis zur Bundescheftrainerin. „Das hätte ich mir nie träumen lassen“, sagt Brigitte Bielig rückblickend.
Das Zuhause in Burkau ist Rückzugsort
Statt Traum ist es wohl eher harte Arbeit. Am rechten Arm trägt die studierte Sportwissenschaftlerin ein Band mit der Aufschrift „What import know“ – Was wichtig ist. Das ist immer wieder ihr Rückzugsort Burkau. Als der Schwiegervater – Burkauer Urgestein, Mundartdichter und Chronist Johannes Bielig – sich nach der Wende ein neues Haus baut, lockt er seinen Sohn samt Familie zurück ins Heimatdorf.
Dort warten auf Brigitte Bielig jetzt nicht nur ihr Mann Bernd, sondern die 15 Jahre alte schnurrende Mitbewohnerin und ein kleiner Garten. Bei ihrem Kurzabstecher bekommt die Katzendame ein paar Streicheleinheiten. Doch dann heißt es volle Fokussierung auf die sportliche Leidenschaft. Die Wettbewerbe der Ruderer bei Olympia beginnen am 27. Juli 2024 mit den Vorläufen der Einer, Doppelzweier und Doppelvierer. Die letzte Medaillenentscheidung findet am 3. August statt. „Wir haben die Sportler in der Leistungsentwicklung ein Stück nach vorn bringen können. Für Oliver Zeidler im Männer-Einer wünsche ich mir, dass er ganz weit vorn ankommt. Ich hoffe dazu, dass wir mindestens noch um eine weitere Medaille mitkämpfen können“, sagt die Bundestrainerin. In Tokio gab es für die vorher erfolgsverwöhnten Ruderer und den Deutschen Ruderverband vor drei Jahren nur zweimal Silber und viel Ernüchterung.
Die langen Gesichter von damals sind Angriffslust gewichen. Ausgetragen werden die olympischen Ruder-Rennen im Wassersportstadion Vaires-sur-Marne knapp 50 Kilometer östlich von Paris. „Wir können deshalb nicht an der Eröffnung teilnehmen. Das ist immer ein schöner Einstieg, doch wir brauchen die mentale Vorbereitung“, sagt sie. Trotzdem möchte sie gern als Trainerin das Erlebnis, dass alle Sportarten an einem Ort sind, genießen. „Olympia hat einfach ein anderes Flair. Alle arbeiten auf diesen Höhepunkt hin. Das Leistungsniveau ist höher als bei einer Weltmeisterschaft, und so eine Olympiamedaille ist etwas für das ganze Leben“, sagt die Bundestrainerin.
Ruderelite kommt zur Geburtstagsparty nach Burkau
Nach Olympia geht es zurück in die Heimat. Im September zum 67. Geburtstag soll es eine große Party mit Deutschlands Ruderelite in Burkau geben. Dann heißt es Abschied nehmen. Schon länger hat Brigitte Bielig angekündigt, dass Ende 2024 als Bundestrainerin Schluss ist. „Wir haben es geschafft, den Nachwuchs Schritt für Schritt wieder aufzubauen . Ich glaube, ich übergebe an meinen Nachfolger eine gute Truppe“, sagt die Wahl-Oberlausitzerin. Nach der aktiven Zeit will sie die Skulls zur Seite legen. Durchs Grundstück in Burkau fließt zwar ein Bach. Er sei aber den Enten vorbehalten.
„Was wichtig ist“ – diese drei Wörter sollen Brigitte Bielig daran erinnern, wo sie Prioritäten setzen muss – das gilt vor allem auch in Zukunft. „Mein Mann und meine Familie sind oft zu kurz gekommen. Der Sport hat immer viel Zeit erfordert“, sagt sie. Deshalb gilt es sich ab dem 1. Januar 2025 jene Zeit zu nehmen.
Für ihren achtjährigen Enkel will sie künftig mehr als wieder einmal nur eine Übernachtung beim Zwischenstopp Richtung Trainingslager in Österreich einplanen. Eine Katzenpension könnte sie sich vorstellen. Da gibt es allerdings noch Redebedarf mit dem Mann. Ehrenamt im Tierheim oder einem anderen Verein wäre eine Variante, an einem Intensivsprachkurs Englisch hätte sie Interesse. Doch vorher gilt der Fokus nochmal voll und ganz dem Sport – von der Trainerbank aus will Brigitte Bielig das große Ereignis Olympia genießen.
Bericht: Miriam Schönbach, Zeitungsartikel vom 19.07.2024 16:07 Uhr, https://www.saechsische.de/rudern-bundestrainerin-brigitte-bielig-burkau-paris-olympia-drv-heimat-ruhestand-
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