Ein Gastbeitrag von Walburga Höne
70. Geburtstag bedeutet bei unserer Iddy gleichzeitig fast 70 Jahre im Bootshaus, denn lustige Zeitzeugen behaupten mit einem Augenzwinkern, sie wurde sprichwörtlich im Bootshaus gezeugt und im Bootshaus geboren!
Auf diese Weise drehen sich wahrscheinlich ihre meisten Lebenserinnerungen immer wieder um das Bootshaus des Dresdner Rudervereins. In ihren ersten Lebensjahren wohnte sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester in der Anliegerwohnung im Bootshaus. Auf der Wiese wurden Schafe gehalten und zum gewohnten Tagesablauf gehörte der Trainingsbetrieb im Ruderverein.
So erlernte sie bereits mit 12 Jahren zusammen mit ihrer Freundin, der ebenfalls 12-jährigen Patrizia Pattschull bei ihrem Vater Gerhard Seiffert das Rudern. Gerhard Seiffert (Seppel) und Hans Pattschull (Patsch) waren DIE Trainerlegenden unseres Vereins.
Dementsprechend gestaltete sich die ersten Trainingsjahre bei Kindern, Jugend und Junioren alles andere als Zuckerschlecken. Normalerweise begann man in der damaligen Zeit erst im Alter zwischen 14 und 16 Jahren mit dem Rudersport, der als Schwerathletiksportart eingestuft war.
Aber auch sehr lustige Erlebnisse gab es in dieser Zeit. Einmal nahm sie als Kind in ihrem ersten Trainingsjahr in Berlin-Grünau Brot in der Turnhose mit, um heimlich Schwäne zu füttern außerhalb der Reichweite der Trainer. Leider gab es dann dazu keine Gelegenheit, so dass nach dem Training das zermatschte Brot entsetzlich am ganzen Körper klebte. So wurde die kleine Ingrid fast spielerisch an das Training der Großen herangeführt. Bis zum Alter von ca. 14 Jahren festigte sich die Trainingsgruppen, Mannschaften wurden gebildet. In dieser Zeit begannen Freundschaften, die durch gemeinsames Training bei jedem Wetter, Disziplin, Verlässlichkeit, auch Verzicht oder manchmal sogar die eine oder andere Träne geprägt waren. Ingrid war immer bereit, alles zu geben… sich „auszukotzen“, um hinterher als Belohnung die schönen Momente auf dem Siegersteg zu genießen.
So verging die Kinder- und Jugenzeit. Es waren jedes Jahr wieder die Freude auf Regatten, Meisterschaften, die Kinder- und Jugendspartakiaden, die auch für Ingrid Ansporn war, sich Jahr um Jahr in dem kalten Kraftraum, damals hinten in den alten Holzboothallen, zu schinden. Die Krönung dieses Lebensabschnitts war der „DDR Meistertitel“ im Achter der Seniorinnen C.
Nicht restlos alles drehte sich um den Sport und das Bootshaus! Für Berufsausbildung und Meisterstudium verließ Ingrid kurzzeitig Dresden. Sie lernte ihren Mann Gert Andersch kennen… wo sonst, wenn nicht im Bootshaus! Bald vervollständigten zwei Jungs die Familie.
Die Verbindung zum naheliegenden Bootshaus, in dem bis ins hohe Alter ihr Vater, unser hochverehrter Seppel als Trainer und später Hauswart tätig war, riss sowieso nie ab. Ende der achtziger bis in die neunziger Jahre wurde der Rudersport „neuentdeckt“. Mit den wunderbaren Möglichkeiten, die sich nach der Wende boten, begann für Ingrid noch einmal die Wettkampf- und Regattazeit.
Es etablierte sich im Dresdner Ruderverein eine starke Masterinnen-Trainingsgruppe von zeitweise 12-16 Sportlerinnen im Alter zwischen 45 bis über 60 Jahre. Die Highlights waren die jährlichen World Rowing Masters Regatten, die Ingrid von Australien bis Kanada und quer durch Europa besuchen konnte. Sie war immer eine zuverlässige, einsatzbereite und faire Sportlerin, die sich im Rudersport ganz besonders wohl fühlte.
Neben ihrer eigenen sportlichen Betätigung war sie für 12 Jahre die Vorsitzende des Elbe-Regatta-Vereins, durch den die traditionellen jährlichen Events hier vor der Haustür auf unserer Elbe organisiert werden.
Zurzeit unterstützt sie als Helferin bei unserem Trainer Volker Slavik die Anfängergruppen der 9- bis 11-jährigen Kinder. Das Ruderangebot richtet sich dabei insbesondere auch an Gruppen, die über Freizeitspaß an unsere Sportart herangeführt werden sollen. Wir wünschen Ingrid Andersch viel Erfolg bei dieser neuen Aufgabe.
Wir gratulieren Dir, liebe Ingrid Andersch, zu Deiner eigenen Rudergeschichte! Ich persönlich bin dankbar, weit mehr als 50 Jahre dieser Rudergeschichte miterlebt zu haben, in der vor allem die langjährigen Freundschaften rund um unseren wunderbaren Rudersport gepflegt wurden und werden. Du bist meist diejenige, die schon verloren geglaubte Kontakte wieder herstellt. Bleibe bitte wie Du bist, hinterfrage viele Dinge, sei hartnäckig und auch manchmal „nervig“… so kennen und lieben wir Dich!
Wir wünschen Dir viel Gesundheit, bleibe gerne weiterhin aktiv und engagiert im Rudersport und ganz besonders in „Deinem Bootshaus“ und auf „Deiner Elbe“!
P.S. Im Nachgang auch die besten Grüße und Glückwünsche an Ingrids Kinderfreundin Patrizia Pattschull (jetzt Gruhl), auf die die gleiche Geschichte bis zur Seniorinnenzeit zutrifft. Sie war danach in den Jahren 1980-1986 Trainerin im Dresdner RV. Sie feierte ihren 70. Geburtstag am 15.06.2023!
Text: Walburga Höne