Ernüchternd, so beschreibt sich wohl die EM Bilanz des Deutschen Ruderverbandes am passendsten. Während die deutschen U19 und U23 Ruderinnen und Ruderer vor wenigen Wochen noch fleißig Medaillen bei der Nachwuchs-WM in Varese sammelten, ging die Flotte der A-Nationalmannschaft am vergangenen Wochenende sprichwörtlich unter. Auch die drei Medaillen (zwei davon in Para-Bootsklassen) können das desolate Ergebnis bei der Heim-EM in München nicht beschönigen.
Im „Lern- und Lehrjahr“ wurde und wird viel ausprobiert und getestet. Einige Leistungsträger pausieren, um sich dem Studium bzw. der beruflichen Laufbahn verstärkt zu widmen. Einige haben sich von der internationalen Bühne verabschiedet. Corona und Verletzungspech kommen noch hinzu. Doch die Ergebnisse der EM zeigen, dass Ruderdeutschland droht, den Anschluss an die internationale Spitze wie Großbritannien, Rumänien oder Italien zu verlieren. Eigentlich sogar schon verloren hat.
Frauenachter wird Fünfter
Das Finale im Frauenachter verbildlicht den Rückstand. Schon nach 500 Metern liegt das neu zusammengesetzte deutsche Boot mit Schlagfrau Katja Fuhrmann (Laubegaster Ruderverein Dresden) um über eine Bootslänge hinter dem Führungstrio aus den Niederlanden, Großbritannien und Rumänien zurück. Auch Italien ist schon eine Länge enteilt. Tapfer kämpfen sich die deutschen Frauen bei böigem Gegenwind über die 2.000 Meter, doch der Rückstand wächst bis ins Ziel noch auf 20 Sekunden zu den Siegerinnen aus Rumänien an. Auch auf Bronze fehlen 10 Sekunden. Das sind Welten im Rudersport. Und so bleibt einzig die Genugtuung noch 0,6 Sekunden vor Dänemark zu sein.
Frauendoppelzweier auf Platz 9
Auch der Frauendoppelzweier wurde neubesetzt. Nachdem Sophie Leupold (Pirnaer Ruderverein) beim Weltcup in Poznan als Ersatzfrau mit Frauke Hundeling im Doppelzweier startete, fuhr sie in Luzern Schlag im Doppelvierer. In München war es wieder der Doppelzweier, diesmal zusammen mit Judith Guhse (Rendsburger Ruderverein). Die junge Kombo fand nur schwer in die Regatta und musste den Umweg über den Hoffnungslauf nehmen. Im Halbfinale waren sie nahezu chancenlos im Kampf um die Finaltickets. Und auch im B-Finale fanden sie sich zunächst am Ende des Feldes wieder. Doch dank einer soliden zweiten Streckenhälfte konnten sich Sophie und Judith noch auf den dritten Rang vorschieben, so dass sie die EM auf Platz 9 beenden.
Weltmeisterschaft und Olympia als Ziel
Es liegt noch viel Arbeit vor den Athletinnen und Athleten sowie ihren Trainerinnen und Trainern. Bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr geht es bereits um die Olympiatickets für Paris 2024. „Wir befinden uns in einem Orientierungsjahr. Bei der WM 2023 müssen wir aber in der Lage sein, anzugreifen. Darauf arbeiten wir hin und müssen stärker zusammenrücken“, sagt Sportdirektor Mario Woldt. Auch Chefbundestrainerin Brigitte Bielig betont, dass noch viel physisches Grundlagentraining aufgeholt werden muss, aber auch teilweise technische Defizite ausgeglichen werden müssen.
Für einen Teil der A-Nationalmannschaft geht es nun erstmal ins Trainingslager in die Völkermarkt (Männer) und Zakopane (Frauen). Anfang September steht dann die unmittelbare Wettkampfvorbereitung auf die Weltmeisterschaft an, die vom 18 – 25 September im tschechischen Racice stattfinden werden. Sicherlich dürfen wir keine Wunder innerhalb eines Monats erwarten, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.